Laut jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es 2006 in West- und Mitteleuropa etwa 22 000 neue HIV-Infektionen. Insgesamt leben in dieser Region 740 000 Menschen mit HIV.
Das von der EU finanzierte Projekt CASCADE (Concerted Action on SeroConversion to AIDS and Death in Europe), das seit 1997 besteht, verfolgt den Verlauf der HIV-Neuinfektionen in Europa. Die CASCADE-Projektpartner begleiten Patienten, bei denen das Datum der Serokonversion mit hoher Sicherheit geschätzt werden kann, das heißt das Datum, an dem zum ersten Mal HIV-Antikörper im Blut nachgewiesen werden können. Dies geschieht normalerweise drei Monate, nachdem das Immunsystem dem Virus ausgesetzt war. Da der Zeitpunkt der Serokonversion bekannt ist, können die Projektpartner die Krankheit von Beginn an verfolgen und untersuchen, welche Faktoren die Überlebenschancen beeinflussen.
„Wir konnten dokumentieren, was in Abwesenheit einer Therapie wichtig für das Überleben ist und was nicht”, erklärte Dr. Kholoud Porter von der Abteilung Klinische Tests des britischen Medical Research Council, die als Projektkoordinatorin fungiert.
Dr. Porter zufolge nehmen die durchschnittlichen Überlebenszeiten ohne Therapie mit fortschreitendem Alter kontinuierlich ab. Wird ein Mensch in seinen frühen 20ern infiziert, lebt er voraussichtlich im Durchschnitt noch 14 Jahre, während die durchschnittliche Überlebenszeit eines Menschen, der sich in seinen 50ern infiziert, nur noch sechs Jahre beträgt. Diese Ergebnisse haben praktische Auswirkungen auf die Behandlung, da sie den Klinikern helfen zu entscheiden, ob ein Patient eine Therapie beginnen sollte oder nicht.
Das Projekt begleitet insgesamt mehr als 17 000 Menschen in ganz Europa. Die Projektpartner untersuchen jedoch nicht nur die Auswirkungen des Alters auf die Überlebenszeiten, sondern sie analysieren auch Geschlechterunterschiede und würden sich gerne stärker auf die Überlebenszeiten je nach ethnischer Herkunft der Infizierten konzentrieren.
Das Projekt hat sich auch mit der Frage beschäftigt, wie sich die Therapie auf die Überlebenszeiten auswirkt. Mit Beginn einer Therapie leben die Menschen länger, in manchen Fällen mehr als 20 Jahre. „Wir gehen heute davon aus, dass zehn Jahre nach der Infektion noch 90 Prozent der Menschen am Leben sind”, so Dr. Porter.
Ein interessantes Ergebnis deutet darauf hin, dass ältere Menschen stärker von einer Behandlung profitieren als jüngere. Dies erscheint zwar auf den ersten Blick nicht logisch, aber die Forscher nehmen an, dass es damit zusammenhängt, dass ältere Menschen die Therapie genauer befolgen und sich stärker an die medizinischen Anordnungen halten. Auch bei Frauen schlägt die Therapie im Allgemeinen besser an als bei Männern – wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen.
In dem Maße, in dem die Wirksamkeit der Therapien steigt und sich die Überlebenszeiten verlängern, werden wahrscheinlich mehr HIV-positive Menschen an Ursachen sterben, die nicht mit AIDS zusammenhängen. Dr. Porter wies jedoch darauf hin, dass die Menschen zwar länger leben, aber einen schlechteren Immunstatus haben. Sie ist insbesondere über eine mögliche Zunahme von Krebs besorgt. Darüber hinaus sind viele HIV-positive Menschen auch mit Hepatitis C infiziert, was sie anfälliger für Lebererkrankungen macht.
Auch wenn Therapien die Überlebenszeiten von Menschen mit HIV verlängern, so sind die Projektpartner doch zunehmend besorgt über HIV-Formen, die allen bestehenden Behandlungen gegenüber resistent sind. Daher überwachen sie insbesondere das Ausmaß der übertragenen Medikamentenresistenz in der gesamten Population und untersuchen, welche Konsequenzen sie für die Therapie hat.
Mittel- und Osteuropa ist eine Region, die für das Projekt besonders interessant ist. Vier Länder der Region beteiligen sich an dem Projekt: Russland, die Ukraine, Polen und Estland. Während in vielen westeuropäischen Ländern HIV-Kohorten schon seit vielen Jahren untersucht werden, gibt es in Osteuropa kaum Erfahrungen mit der Erstellung und Begleitung von Kohorten.
Ein wesentliches Ziel des Projekts besteht darin, in der Region Forschungskapazitäten aufzubauen. Daher bildet das Projekt hier Forscher aus, die Tests wie den STARHS-Assay durchführen können. STARHS, die Abkürzung für Serologic Testing Algorithm for Recent HIV Sero-Converters, zeigt, wie der Name andeutet, ob jemand kürzlich oder vor längerer Zeit mit HIV infiziert wurde. Menschen, bei denen nachgewiesen wird, dass die Infektion erst for kurzem erfolgte, können in eine Kohorte aufgenommen werden, um den Verlauf der Krankheit bei Menschen in diesen Ländern zu verfolgen.
In seiner jetzigen Form wird das Projekt bis 2010 finanziert, aber Dr. Porter hofft, dass es weitergeführt wird und Osteuropa noch stärker einbezogen werden kann. In der Zwischenzeit bietet das Projekt weiterhin einen grundlegenden Überblick über die Faktoren, die das Überleben der steigenden Anzahl von Menschen beeinflussen, die in Europa mit HIV leben.
Weitere Informationen sind abrufbar unter:
Cascade-Projekt:
http://www.ctu.mrc.ac.uk/cascade/
EU-finanzierte Forschung zu armutsbedingten Krankheiten:
http://ec.europa.eu/research/health/poverty-diseases/index_en.html
HIV/AIDS-Programm der Weltgesundheitsorganisation:
http://www.who.int/hiv/en/
Kategorie: Projekte
Informationsquelle: Gestützt auf ein Interview von CORDIS-Nachrichten mit der CASCADE-Projektkoordinatorin
Referenz: Gestützt auf ein Interview von CORDIS-Nachrichten mit der CASCADE-Projektkoordinatorin
Thematischer Indexkode: Koordinierung, Zusammenarbeit; Medizin, Gesundheit; Wissenschaftliche Forschung
RCN: 26739
http://cordis.europa.eu/fetch?CALLER=DE_NEWS&ACTION=D&DOC=50&CAT=NEWS&QUERY=0124804b97a8:3e82:0b0340f5&RCN=26739